Personal Effects

Mali

Eine Reise im Jahr 2007 durch Bamako, Dogonland, Essakana, Timbuktu, Segou und Mopti. Staubig und trocken wie ein altes Brot, ein von allen Elementen vergessenes Land.

Die Bozo Fischer mit ihren Kanus und von Hand geflochtenen Netzen auf dem gigantisch weitem Niger, ihnen ist kein Fisch zu klein. Die Rotznasen der Kinder mischen sich mit Staub und die eingetrockneten Gesichter der Alten, sehen aus wie Greise in einem biblischen Alter.

  • Mali
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Hände, die allesamt kalt sind – trotz der sengenden Hitze, werden weich zum Händeschütteln entgegengestreckt, man hält sich sanft fest. Bamako, die Hauptstadt Malis hat 1.5 Millionen Menschen und einen G-Punkt. Ahnungslos betitelter Mittelpunkt im Zentrum der Staubmetropole. Die Straßen gefüllt mit Esel-Ochsen-Pferdekarren, gemischt mit den neusten SUVs und knallvollen City Taxis, die erst dann losfahren, wenn keine Huhn mehr reinpasst.

Märkte, randvoll mit Kuriositäten und wilden, aufbrausenden Händlern, die alle auf den Moment warten, zu explodieren. Malis Foto Allergie ist anstrengend.Europäer haben Psychotherapeuten, die Malier haben Marabus. Die Marabus sind der heiße Draht zur Malischen Welt der Geister und Ahnen. Denn die bestimmen das Leben, nicht die weltlichen Dinge. Die Marabus geben den Ratsuchenden Aufträge, ihr Wunsch wird erst nach Ausführung der Aufträge bei den Geistern abgegeben. Der Fetisch Glaube wird von den Imamen mit großer Missachtung beobachtet.
Der Markt in Bamako stinkt gewaltig. Vieles. was mal munter durch den Busch hüpfte, ist hier aufgefädelt, getrocknet, pulverisiert und in Einzelteilen zu haben. Große Männer sitzen breitbeinig an den Verkaufsständen und kratzen sich die Schenkel.Die Hitze ist unerträglich, die Sonne brennt, die Malier frieren. Die kalten Hände der Menschen unglaublich. Kinder spielen Fußball im Staub und schwitzen keinen Tropfen.Mali kennt nicht den Rest der Welt und der Rest der Welt kennt kein Mali.

Mali ist eine „Flyover Zone“, hier gibt’s nichts außer Zwiebeln und Sheabutter.

Die Idee, das sich irgendwo anders auf der Welt die Zivilisation unaufhaltsam entwickelt, Computer, Internet und bewegte Bilder aus einem Plastikkasten rattern – dass erfordert 2007 mehr Glauben als an alle Geister Malis. 81% Analphabeten, wunderschöne, leerstehende Schulgebäude. Nicht die Gebäude machen eine Schule, sondern Lehrer, aber die scheint man vergessen zu haben. Perfekte Steingebäude, weit, weit weg von den dazugehörenden Dörfern, als bräuchten die Kinder noch mehr Bewegung, um ihre kostbare Kalorien zu verbrennen, um zu diesen Schulgebäuden zu kommen.

Dogonland hebt sich aus der platten Ebene hervor. Ein Felsstreifen mit „Hanghütten“ die am Felsenkleben, als hätten sie Angst vor einer Flut.Geisterbeschwörer und Zauberer, abgefüllt mit Hirsebier, gehören zum Wanderalltag der wenigen Touristen. Jede kleine Hütte ist ein Getreidespeicher, jede Lehmhütte entweder ein Menstruationshaus oder eine Beschneidungshütte, oder ein Fetischhaus. Allesamt nicht zu besichtigen, denn es ist „gefährlich“. Verhext wird man auf der Stelle. Frauen und Kinder arbeiten überall.

Hirse scheint ein 24/7 Job zu sein, das Stampfen der Stößel ist der Bass Malis.Die Wasser tragenden Frauen in bunten Kleidern und mit einer Prinzessinnen Haltung faszinieren mich mehr als jeder Magier. Der Duft der Zwiebeln, die petrol farbenen Felder der Dogon. Jede Zwiebel mühevoll mit Kalebassen-Wassereimern unter der gleißenden Sonne herausgezaubert.

Wasserlilien inmitten der größten Steppe, Wunder Malis.Der Muezzin ruft zu jeder Zeit. Wenn nichts sonst in einem Dorf ist, dann aber eine Moschee.Schlappen aller Art vor dem Eingang geparkt, Männer auf Strohmatten. Frauen dürfen erst ab 45 in die Moschee, mit Beginn der Wechseljahre. Männer beten und arbeiten, Frauen arbeiten und arbeiten.

Sklaverei gehört zum Alltag der Menschen, ein Stamm versklavt den anderen, Kinder werden verkauft, Sklaven seit Generationen. Es scheint niemanden zu stören, es gehört dazu, wie andere Grausamkeiten.Mali bleibt weit weg, hier öffnet sich keine Tür, hier schlägt einem alles ins Gesicht. Kontraste im Sekundentakt, alles ungreifbar. Die Erlebnisse sind nie direkt, was hängen bleibt ist eher Unterschwelliges, wie ein Geschmack.Die Langsamkeit, die als selbstverständliche akzeptierte Armut und das staubige Schicksal. Es ist so, wie es ist.  Hier verschwendet niemand Energie darauf etwas zu ändern, verbessern, erneuern, anders zu machen.

In den großen Städten treffen die Welten aufeinander, ein Mann, halbnackt, der den Müll aus der stinken Brühe fischt und sich davon ernährt, die reiche Großmutter mit Brille, die auf der Bank den Familien Tresor leer macht. Die Mercedes Kutschen mit AC lassen sich hupend Platz machen – und alle weichen dem Geld und dem Protz, ohne auch nur im Geringsten auf die Idee einer großen, abgekarteten Ungerechtigkeit zu kommen.Es ist so wie es ist. Hier sieht kein Kind satt aus.Sand, Kamele und Coca-Cola erwarten mich nach sandiger Fahrt: Timbuktu, eine Stadt die uns Touristen erlaubt dort zu sein. Die Hitze ist unglaublich.Zum Essen müssen wir uns anmelden, damit die passende Anzahl Kartoffeln und Eier eingekauft werden können. Im Timbuktu Restaurant „Zum goldenen Hühnchen“ speise ich mit anderen Touristen, welche schon das Klappern eines Fahrrads als Rhythmus Malis erkennen und gegen die ich nicht anstinken kann. Musik ist das Thema aller Reisenden, das Festival ist nur fünf Stunden Jeepfahrt von uns entfernt.Auf nach Essakane, wie ein Derwisch fährt der Fahrer durch die Wüste. Vorbei geht es an allen liegen gebliebenen Touristen 4WD -endlich erreichen wir Essakane.Innerhalb von Stunden entsteht eine Zeltstadt im Nichts, materialisiert sich eine Bühne, Lampen, Generatoren, eine PA.Es wird dunkel und der Spass beginnt.

Wer auch immer da trommelt, ob es im Programm steht oder nicht und ob jemand den Namen der Band kennt – keine Ahnung: es ist Mali, es ist die Sahara und mir ist egal wer singt, denn es ist einfach nur gut.Die Sonne brennt tagsüber und nachts buddeln wir uns in den warmen Sand ein. Es ist romantisch, friedlich.

Nach dem Wüstenzauber geht’s weiter auf der gefährlichsten Straße Malis, der Strecke Timbuktu – Douentza. Fünf Stunden Vollgas auf Wellblechpiste, das Paradies der Wegelagerer und Banditen. Eine Fahrt ins Nichts, südlich in eine der wenigen Naturreservate Malis, der Douentza Reserve – dort wo die Elefanten aus Burkina Faso Winter Urlaub machen.Die Landschaft ist wunderschön, die Farben des Bodens und der Steine.

Die Nacht war kalt und sternenklar, die Schakale sangen ein Schlaflied und die Schuhe stellt man besser in das Zelt.Mali ist ein Land was einem nicht gleich die Tür weit öffnet und einen reinlässt. Mali ist ein Pulverfass. Kinder haben keinen Fetzen am Leib und jeder noch so trockene Acker wird mit Steinzeitwerkzeugen per Hand umgegraben und es wird gesät.Kommt der Regen und schwemmt er die gute Saat weg? Kommt der Regen und lässt die Menschen nicht hungern.Es gibt kein „Morgen“ in den Köpfen der Malier, sie hinterlassen nichts.